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Homiyu Tesfaye kurz vor der Einbürgerung


Homiyu Tesfaye (Foto:Iris Hensel)

Etwas salopp, aber eben auch treffend, könnte man es so formulieren: Homiyu Tesfaye läuft allen davon. Dies hat der gebürtige Äthiopier bereits im vergangenen Jahr getan, beispielsweise als deutscher Hallenmeister über 1.500 Meter sowie als Jugend- und U23-Meister über Distanzen von 1.500 Meter bis zum Halbmarathon und bei Ausflügen zum Crosslauf. Das Portfolio von Tesfaye allein ist erstaunlich genug, angesichts seines Alters, der Schüler wird am 23. Juni 20 Jahre alt, verwundert die Leistungsfähigkeit umso mehr. Insbesondere deshalb, weil der Läufer von der LG Eintracht Frankfurt vor einigen Tagen abermals ein mehr als deutliches Signal an die Konkurrenz sendete: Beim Abendsportfest in Pfungstadt blieben die Uhren nach 800 Metern bei 1:46,40 Minuten stehen, womit Tesfaye seine vorherige Bestzeit um eine Sekunde verbesserte und sich auch über die zwei Stadionrunden an die Spitze der deutschen Jahresbestenliste setzte. Wie zuvor über 1.500 Meter (3:36,90) und 10.000 Meter (29:08,44). Über 5.000 Meter (13:58,73) ist der Hesse lediglich Siebter, was jedoch dem Umstand geschuldet ist, dass er in dem Rennen beim sogenannten Mini-Internationalen als Tempomacher für seinen Klubkollegen Nico Sonnenberg unterwegs war.

Laien wundern sich ohnehin, wie jemand in vergleichsweise jungen Jahren so lange so schnell laufen kann; aber auch in deutschen Leichtathletikszene findet das Staunen und Raunen kein Ende. Und der Trainer von Tesfaye, Wolfgang Heinig, hat nach dem Pfungstädter Rekordrennen bereits weitere Steigerungen angekündet. „Er ist bei 600 Metern in 1:16 Minuten durchgegangen. Wenn das Stehvermögen stimmt, lässt das über 800 Meter auf eine Zeit von unter 1:45 Minuten schließen.“ Tesfaye hat also - rein sportlich betrachtet - allerbeste Chancen auf die Teilnahme an der U23-EM in Tampere (11. bis 14. Juli), und auch die WM in Moskau (10. bis 18. August) ist nicht völlig außer Reichweite. Über welche Mittelstreckendistanz auch immer. Wenn seine Einbürgerung noch rechtzeitig von statten geht. Derzeit liegen die Unterlagen beim Regierungspräsidium in Darmstadt, was noch fehlt, ist ein schriftlicher Deutschtest oder eine entsprechende Bestätigung seiner Deutschkenntnisse, versehen mit dem Schulstempel.

Die größte Hürde, die Beschaffung einer Geburtsurkunde respektive eines kirchlichen Taufscheins aus seinem Heimatland Äthiopien, hat Tesfaye bereits gemeistert. Wird das Dokument anerkannt, dürften die Diskussionen, ob 1993 tatsächlich sein Geburtsjahr ist, ein Ende haben. In etwa einer Woche muss Tesfaye im Besitz seines deutschen Passes sein, ansonsten ist sein Start bei der U23-EM nicht mehr möglich. „Die Entscheidung über seine Einbürgerung steht kurz bevor“, sagt Heinig. Die 800-Meter-Norm für die europäischen Titelkämpfe (1:47,80) hat sein Top-Athlet quasi pulverisiert - nun hofft Heinig auf ähnliche Schnelligkeit in der deutschen Bürokratie.

Die deutsche 800-Meter-Jahresbestzeit von Tesfaye ist die insgesamt achte für einen Athleten des Hessischen Leichtathletik-Verbandes. Was im Gesamten etwas überrascht, da die deutsche Weitsprungmeisterin Beatrice Marschek (LAZ Gießen) aufgrund eines Achillessehnenrisses keine Wettkämpfe absolvieren kann, Hochspringerin Ariane Friedrich (1,89) nicht in Bestform ist und die Zehnkämpfer Pascal Behrenbruch und Jan Felix Knobel (alle Frankfurt) noch ohne Punkte dastehen. Für den Aufschwung zu nationalen Spitzenplätzen sorgten bislang Hochspringer Martin Günther (Frankfurt/2,24 Meter), die Marathonläufer Irina Mikitenko (2:26:41 Stunden) und Marcin Blazinski (beide Frankfurt/2:14:45), Hammerwurf-Weltrekordhalterin Betty Heidler (Frankfurt/75,80 Meter) und Christiane Klopsch (LG Friedberg-Fauerbach) über 400 Meter Hürden in 57,78 Sekunden. Gesa Krause (Frankfurt) über 3.000 Meter Hindernis, Ksenia Achkinadse (SC Gelnhausen/Weitsprung) Kathrin Klaas (Frankfurt/Hammerwurf) sowie Siebenkämpferin Claudia Rath (Frankfurt) stehen kaum nach.

In anderen Trainingsgruppen läuft es weniger gut. Etwa bei Volker Beck, dem 56 Jahre alten Bundestrainer über 400 Meter Hürden. Zumindest in diesem Sommer hat Beck in seinem Heimatverein Eintracht Frankfurt erheblich weniger Arbeit. Denn nach dem Karriereende von Nils Müller und Marc-John Dombrowski sowie dem studienbedingten Verzicht von Niklas Zender auf die Sommersaison fehlt nun Clemens Höfer auf unbestimmte Zeit im Wettkampfgeschehen. Der 400-Meter-Läufer mit einer Bestzeit von 46,64 Sekunden (2010) leidet am Pfeifferschen Drüsenfieber.

Uwe Martin

 


08/06/2013