Sponsoren HLV Logo

Uphoff und Bernardo die schnellsten Langstreckler ─ Jugend forsch: Ivanov und Kistner flott


Eine Klasse für sich: Tinka Uphoff (Foto: Helmut Schaake)

Wind und Regen haben die hessischen Langstrecklerinnen und Langstreckler bei ihren Landesmeisterschaften im Marburger Georg-Gaßmann-Stadion auf Schritt und Tritt verfolgt. Doch ein Hindernis für schnelle Zeiten waren die widrigen Bedingungen nicht. Zumal Ausdauersportler Temperaturen um 13 Grad lieber mögen als Wärme. Über Letztere hätten sich die Sprinter gefreut, die im Rahmenprogramm über 150, 300 und 600 Meter an den Start gingen und sich erst im letzten Moment ihrer Aufwärmkleidung entledigten. Einmal mehr bewahrheitete sich die alte Läufer-Weisheit, dass derjenige Erfolg hat, der mit Voraussicht und Geduld im Bunde ist.


Schon vor dem Startschuss stand fest, dass der Sieg bei den Frauen nur über Tinka Uphoff von Spiridon Frankfurt gehen würde. Zu überlegen war sie ihren Mitstreiterinnen aufgrund ihrer Vorleistungen: drei Hessenmeistertitel 2013 (5000 Meter, Halbmarathon, Marathon), dazu der Sieg im Gelände in Wolfskehlen im Februar und starke 35:18 Minuten über 10 Kilometer im Rahmen der Jügesheimer Winterlaufserie. Doch in Marburg war die Rechtswissenschaftlerin nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte.


Tinka Uphoff klagte über muskuläre Probleme sowie fehlende Lockerheit. So verzichte sie auch auf ihre Spikes und griff stattdessen zu ihren leichten Trainingsschuhen. Eine Verschlimmerung ihrer Beschwerden wollte Uphoff nicht riskieren. Zwar gab sie nach dem Rennen zu, dass sie einige Male ins Rutschen gekommen sei, doch ihr Sieg geriet nie in Gefahr.

Schnell hatte sich Tinka Uphoff einen komfortablen Vorsprung vor der deutschen W45-Halbmarathonmeisterin Veronika Ullrich (LG Neu-Isenburg/Heusenstamm) und Anna Reuter (PSV Grün-Weiß Kassel) erarbeitet, der stetig bis auf beinahe eine Minute im Ziel anwuchs.

Während die Uhren für Tinka Uphoff ("Der stärkste Gegner waren heute Wind und Regen") nach 36:08,86 Minuten stehenblieben, spielte die Neu-Isenburgerin (37:06,70) ihre Kampfkraft und Erfahrung aus und hielt die fast 20 Jahre jüngere Anna Reuter (37:10,18) in Schach. Zwar lief Ullrich das ganze Rennen vorneweg, doch Reuters Verhalten stellte sich keineswegs als passiv oder egoistisch heraus. Sie war überhaupt froh darüber, dass sie mit Veronika Ullrich so lange mithalten konnte. "Es ging nicht schneller. Deshalb habe ich Veronika bei der Führungsarbeit auch nicht unterstützt."

Sobald sie ihre Lockerheit wiedergewonnen hat, plant Tinka Uphoff im Sommer ihren Trainingsschwerpunkt zu verschieben. "Ich will meine Grundschnelligkeit verbessern und bei einigen Abendsportfesten auf den Mittelstrecken starten." Erst im Herbst will sie sich wieder dem speziellen Halbmarathontraining widmen.


David Bernardo kämpft (Foto: Helmut Schaake)

Auch der schnellste Mann von Marburg hat in diesem Sommer nicht nur lange Laufstrecken im Sinn. Lokalmatador David Bernardo-Sabanes von den Sportfreunden Blau-Gelb Marburg trifft man zurzeit öfter im Schwimmbad und auf dem Rad als in Laufschuhen. Er will beim Triathlon in Roth die Ironman-Distanz (3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren, 42,195 km Marathonlauf) bewältigen und sich damit "einen Traum erfüllen". Aber bevor es so weit ist, erwies sich der 32 Jahre alte Spanier in seiner Wahlheimat über die 25 Runden als der lachende Dritte. Er hielt sich strikt an die Vorgabe seines Trainers Helmut Schaake, der prognostizierte, dass die Spitze ein zu flottes Anfangstempo wählen würde. Und so kam es auch. Als Oliver Hoffmann (TSV Kirchhain) und Benjamin Stalf (LG Eintracht Frankfurt) die erste Runde in knapp 73 Sekunden absolviert hatten, deutete sich kurz eine Endzeit um 30:30 Minuten an. Ein sehr gewagtes Unterfangen vor allem für den Kirchhainer, der sechs Tage zuvor Katharina Heinig beim Hamburg-Marathon zur B-Norm für die Europameisterschaften zog und das Ziel nach 2:35 Stunden passierte. Und schon vor der 2000-Meter-Marke ging Oliver Hoffmann aus dem Rennen.

Fortan war Benjamin Stalf allein auf weiter Flur. Doch die Führung des 21 Jahre alten Eintrachtlers war nicht in Stein gemeißelt. Ganz im Gegenteil. Der Vorsprung auf den Spanier im Marburger Trikot wurde stetig kleiner. Von den 50 Metern im ersten Renndrittel waren bald nur noch 10 Meter übrig. An der 5-Kilometer-Marke ging Stalf nach 15:50 Minuten zwar noch als Erster durch, doch David Bernardo befand sich zu diesem Zeitpunkt schon im Sog des Frankfurters. Und auf dem sechsten Kilometer wurden die Karten neu gemischt: Bernardo überholte den schlaksigen Frankfurter fast schon spielerisch und zog sein nahezu gleichmäßiges Tempo konsequent und beharrlich durch. Plötzlich war der Spanier, der seit eineinhalb Jahren in Marburg lebt und Spanischkurse an der Volkshochschule leitet, allein auf weiter Flur – mit dem Unterschied, dass er nicht einbrach und nach 32:26,36 Minuten als überlegener Erster das Ziel erreichte. Fast wäre der 32-Jährige noch an seine Bestleistung des Vorjahres (32:19,98) herangelaufen. Für Benjamin Stalf (32:55,73) blieb Platz zwei im Gesamtfeld und der Sieg in der Hauptklasse. Platz drei ging ebenfalls an einen Frankfurter, Markus Heidl (Spiridon; 33:18,06). Heidl, der Zweite der hessischen Crosstitelkämpfe 2013, startete verhalten und hatte lange Zeit Björn Kuttich (TuS Griesheim) an seiner Seite. Auf der zweiten Streckenhälfte aber schüttelte Heidl seinen Verfolger aus Griesheim (33:52,99) ab.

Hofmann und Theofel unter 35 Minuten

Das Rennen der Männer in den Altersklassen ab M50 stand ganz im Zeichen von Wilhelm Hofmann (TSV Berndorf; M50) und Jürgen Theofel (FV Wallau, M55). Die beiden Läufer, die insgesamt 31 deutsche Seniorentitel auf sich vereinigen (Theofel 24, Hofmann 7), wechselten sich in der Führungsarbeit Runde für Runde ab. Immer auf der Gegengeraden wurden die Positionen getauscht. Nur eine Woche nach seinem M55-Sieg bei den Deutschen 10.000 Meter-Meisterschaften im bayerischen Aichach in 35:00,45 Minuten fühlte sich Jürgen Theofel überraschend gut. "Sogar deutlich lockerer als vor einer Woche", sagte der Wallauer, der mit zwei Zielen angetreten war: eine Zeit unter 35 Minuten im Ziel und zur Halbzeit unter 17:30 Minuten bleiben. Diese Leistung ist als Qualifikation für die Deutschen Seniorenmeisterschaften gefordert. Rundenzeiten von durchschnittlich knapp unter 84 Sekunden sahen Jürgen Theofel auf der sicheren Seite. Nach ungefähr 17:23 Minuten hatte er sein erstes Ziel abgehakt. Und beim Unternehmen "unter 35 Minuten" konnte sich Theofel der Unterstützung von Wilhelm Hofmann sicher sein. Schon beim Straßenlauf in Frankenberg einige Wochen zuvor hatten sich Theofel und Hofmann zu starken 34er-Zeiten angetrieben. Und wie in Nordhessen sollte auch im Georg-Gaßmann-Stadion der 50 Jahre Berndorfer einen Deut schneller sein. "Auf meinen Endspurt ist Verlass", so Wilhelm Hofmann, der auf dem Schlusskilometer erst seine Mütze abwarf und dann das Tempo überfallartig verschärfte. Der Weg war frei für Wilhelm Hofmann, für den im Ziel 34:47,51 Minuten gestoppt wurden. Knapp vier Sekunden später blieb Jürgen Theofel (34:51,55) die Gewissheit, dass zwei schnelle 10.000 Meter-Rennen innerhalb von acht Tagen möglich sind, wenn man dazwischen überlegt regeneriert und nur eine "Tempospritze" einbaut.


David Bernardo und Tinka Uphoff (Foto: Helmut Schaake)

Wilhelm Hofmann sieht sich in seiner Trainingsumstellung bestätigt. Aufgrund von Kniebeschwerden hat er die Anzahl und Länge seiner Laufeinheiten reduziert. 10-Kilometer-Wettkämpfe sind für Wilhelm Hofmann, der 2011 noch zum deutschen Vizemeistertitel im Halbmarathon in der M45 lief, mittlerweile das Maximum. "Früher habe ich siebenmal pro Woche trainiert. Jetzt komme ich auf sechs Einheiten, allerdings nur vier in Laufschuhen." Wilhelm Hofmann hat einen Weg gefunden, wie er seiner Defizite im Ausdauerbereich Herr werden kann. Er schwingt sich einmal pro Woche aufs Rad und geht zum Stabilitäts- und und Kräftigungstraining dazu einmal pro Woche ins Fitnessstudio.

Jugend forsch: Ivanov und Kistner überragen

Die Jugendlichen über 2000 (M/W12, M/W13, W14), 3000 (M14, M/W15, männliche und weibliche U18) und 5000 Meter (männliche und weibliche U20) lieferten einige auch auf Deutschlandebene wertvolle Zeiten ab. Über 3000 Meter der M15 zeigte Vitali Ivanov (SSC Hanau-Rodenbach) taktisches Verständnis und Spurtqualitäten. Bestand die Spitzengruppe anfangs noch aus fünf Läufern, reduzierte sich die Anzahl der für den Sieg in Frage kommenden Läufer vor allem auf dem Schlusskilometer. Auf den letzten 400 Metern hatte Ivanov die schnellsten Beine. In neuer persönlicher Bestzeit von 9:33,48 Minuten (davor 9:44,71) heimste der 15-Jährige seinen zweiten Hessentitel des Jahres nach dem im Gelände ein. Joshua Becker (LG Eintracht Frankfurt; 9:36,66) überholte auf der Zielgeraden noch Ivanovs Vereinskollegen Julius Hild (9:39,71) und verhinderte einen Doppelsieg für die fleißige Talentschmiede aus Hanau-Rodenbach (insgesamt fünf Titel und neun Podestplätze in den Jugendrennen). Vitali Ivanov glaubt an noch schnellere Zeiten in diesem Jahr: "Ich will 9:25 Minuten laufen", sagte er selbstbewusst im Ziel. Mit solch einer Zeit hätte er sich 2013 in der deutschen M15-Bestenliste auf Rang vier wiedergefunden.

Bemerkenswertes gelang auch Sarah Kistner (MTV Kronberg) über dieselbe Distanz in der U18. Einziger Gegner der hessischen Crossmeisterin von Wolfskehlen war die Uhr. Würde sie unter der Schallmauer von 10 Minuten bleiben? Immerhin waren ihr im April bereits 10:18,50 Minuten geglückt. Mit dem Blick auf die Zeitmessanlage mobilisierte sie auf den letzten Metern noch einmal alles. Vergeblich. In 10:01,69 Minuten blieb ihr in Marburg eine 9er-Zeit noch verwehrt. Immerhin setzte sie mit ihrer erneuten persönlichen Bestleistung ein weiteres Ausrufezeichen. Ein Platz in den deutschen Top Ten der U18 über 3000 Meter zum Jahresende ist im Bereich des Möglichen. 2013 wäre Sarah Kistner mit ihrer Zeit von Marburg Neunte im deutschlandweiten Vergleich gewesen.

Einen ganz starken Auftritt im 2000 Meter-Rennen der 12-Jährigen legte Sophia Volkmer von der LG Wetzlar auf die Rundbahn. Wie entfesselt lief sie los und ihren Verfolgerinnen auf und davon. Bestärkt von ihrer Bestzeit bei der Bahneröffnung im heimischen Wetzlar Anfang April, dort lief sie nach 7:01,00 Minuten ins Ziel, wollte sie dieses Mal unter sieben Minuten bleiben. In 7:00,01 Minuten verpasste sie dieses Ziel nur um einen Wimpernschlag .


(v. l.) Markus Heidl, Bernardo und Benjamin Stalf (Foto: Helmut Schaake)

Über 3000 Meter in der W15 (2013 noch 2000 Meter) kam es zum erwarteten Zweikampf zwischen Sophia Huhn (LG Eintracht Frankfurt) und Franziska Bock vom LAZ Gießen. Und wie bei den Crossmeisterschaften in Wolfskehlen im Februar sollte wieder die Frankfurterin das bessere Ende für sich haben. Auf dem letzten Kilometer erhöhte sie ihre Schrittfrequenz. Das Ergebnis waren 10:36,10 Minuten im Ziel. Die Gießenerin mühte sich mit langen Schritten zwar redlich, doch nach 10:49,01 Minuten blieb ihr im Ziel Silber und die Rolle als erste Titel-Gratulantin.

Äthiopier Odde trotzt dem Regen

Ebenso auf dem Schlusskilometer fiel die Entscheidung über 3000 Meter in der männlichen U18. Das spielte Lukas Abele vom SSC Hanau-Rodenbach in die Karten, der für sein taktisches Verständnis und seine Spurtqualitäten bereits in der Hallensaison mit zwei Titeln belohnt wurde (1500 Meter U18 und U20). Der Hanau-Rodenbacher griff knapp 600 Meter vor Schluss so ansatzlos an, dass dem nominell stärksten Läufer im Feld, dem U20-Hallenmeister über 3000 Meter Sabbona Abdulkadir (LG Eder; Bestleistung: 8:54,89), nur das Nachsehen und der dritte Platz blieb (9:14,02). Denn hinter Abele, der in 9:09,76 Minuten souverän zu seinem dritten Hessentitel des Jahres lief, spurtete Marc Tortell (TV Rendel) noch zu Silber (9:13,10).

In Abwesenheit von Kidane Tewolde (SSC Hanau-Rodenbach) war der Weg im 5000 Meter-Rennen der männlichen U20 frei für Gutu Abdeta Odde von der LG Eintracht Frankfurt. Gerade einmal 250 Meter waren absolviert, dann setzte sich der U20-Crossmeister auf der Mittelstrecke entschlossen an die Spitze. Ließ schon der erste Kilometer von knapp 3:03 Minuten auf ein flottes Rennen schließen, so steigerte sich der Äthiopier auf den folgenden 4000 Meter sogar noch, trotzte dem zeitweise heftigen Regen und blieb fast noch unter der 15-Minuten-Schallmauer (15:01,42).

Zu den Ergebnissen

Tammo Lotz

 


11/05/2014