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Endlich im Nationaltrikot


Seit der Jugend Langhürdler: Gunnar Habl (Foto: Habl)

Was lange währt, wird endlich gut. Für Gunnar Habl wird dieses Sprichwort in wenigen Wochen in Erfüllung gehen. Dann streift der Langhürdenläufer von der LG Wetzlar/TV Wetzlar zum ersten Mal das deutsche Nationaltrikot über. Bei der 19. Senioren-EM in Izmir (Türkei/22. bis 31. August) steigt der Hesse in der Altersklasse M35 gleich zweimal in den Startblock: auf seiner Spezialstrecke, den 400 Meter Hürden, und über 200 Meter. An der türkischen Ägäisküste rechnet er sich auf beiden Strecken gute Chancen aus. "Über die Hürden liege ich in der Meldeliste auf Rang drei und in Schlagdistanz zum Zweiten, über 200 Meter will ich in den Endlauf", so der Familienvater aus Angersbach bei Lauterbach.



Bei Seniorenmeisterschaften trifft sich stets ein buntes Teilnehmerfelder. Von Spätstartern, Umsteigern und den ewig Junggebliebenen ist alles vertreten. Gunnar Habl gehört zu denen, die schon seit der ersten Stunde dabei sind. "Bei meinem ersten Wettkampf beim traditionellen Angersbacher Herbstsportfest muss ich drei oder vier Jahre alt gewesen sein." Der Weg auf die Tartanbahn hat sich für Gunnar Habl früh abgezeichnet. Sein Vater Roland war jahrelang für die LG Vogelsberg als Trainer und Betreuer aktiv. Noch heute begleitet Roland Habl seinen Sohn zu fast jedem Wettkampf, feuert an, gibt Tipps und macht Fotos. "Er wird auch in Izmir dabei sein", verrät Gunnar Habl, der beim TV Angersbach als Leichtathletik-Abteilungsleiter fungiert und eine Schüler-Trainingsgruppe leitet.

Die Deutschen Seniorenmeisterschaften am letzten Wochenende in Erfurt nutzte Gunnar Habl als Formtest – und erlebte trotz seiner Routine noch eine Premiere. Der 35-Jährige gewann zwei Goldmedaillen über 400 Meter. An einem Tag. Morgens siegte der Wetzlarer über die Hürden in 57,29 Sekunden, am frühen Abend auf der Flachdistanz in 52,87 Sekunden. "Zwei 400 Meter-Läufe an einem Tag kann ich nur empfehlen. Super Gefühl!" schrieb er danach auf seinem Facebook-Profil. Dazwischen waren Beine hochlegen und Regenerieren angesagt. "Im zweiten Lauf hab ich mich überraschend locker gefühlt. Erst am nächsten Tag waren die Beine richtig schwer."

Nur zwei waren 2014 schneller

Auf der langen Hürdenstrecke glaubt der Vizehessenmeister seine Saisonbestleistung noch steigern zu können. Die liegt bei 56,91 Sekunden, erzielt Anfang Juni in Bruchköbel. Zumal er in Erfurt das Feld kontrollierte und Kraft für sein zweites Rennen sparte. In Izmir, mit knapp 3,5 Millionen Einwohnern die drittgrößte Stadt der Türkei, streiten sich neben dem Hessen sieben weitere Läufer um die Podestplätze. Nur der Brite Liam Collins (56,30 Sekunden) und der belgische M35-Vizeweltmeister Jan Carly (56,52) sind in dieser Saison bereits schneller gewesen als Gunnar Habl, der in Flieden an einer Grundschule mit Orientierungsstufe die Fächer Mathematik und Sport unterrichtet.

Anders als die DLV-Topathleten, die sich bei Welt- oder Europameisterschaften ganz auf ihren Sport konzentrieren können, müssen sich die deutschen Seniorensportler alles selbst finanzieren: die Anreise, die Unterkunft, selbst das Nationaltrikot. Bereits Anfang des Jahres plante Gunnar Habl den Flug in die Türkei inklusive Urlaub im Anschluss an die EM. Auf den Start bei einer internationalen Seniorenmeisterschaft hat der Vogelsberger lange hingearbeitet. "Seitdem ich in den 30igern bin, habe ich mir das vorgenommen."

Dass es zu mehr nicht reichen würde, musste er früh erkennen. Während der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) für die Teilnahme an Welt- und Europameisterschaften über 400 Meter Hürden Zeiten von unter 50 Sekunden verlangt, liegt Gunnar Habls persönlicher Rekord bei 54,46 Sekunden, erzielt im Jahr 2005. Von 2001 bis 2003 wurde er dreimal in Folge Hessenmeister. Dazu kommen drei zweite Plätze bei Hessischen Jugendmeisterschaften und unzählige Seniorentitel im Einzel und mit der Staffel, allein 13 davon bei Deutschen Meisterschaften. An den ersten, 2008 in der Halle in Erfurt über 200 Meter, denkt er besonders gern zurück. "Weil er sehr überraschend kam", so Habl.

Leichtathletik statt Fußball

Während junge Talente kommen und gehen, findet man den Namen Gunnar Habl in fast jeder Hessischen Bestenliste seit 1995. Die Gründe: keine schweren Verletzungen, nur wenige Krankheiten. Einzig im Jahr 2000, kurz nach Aufnahme seines Studiums in Gießen, spielte Gunnar Habl mit dem Gedanken die Spikes in die Ecke zu schmeißen. Er spielte parallel Fußball bei der FSG Wartenberg. Dann kam ein Anruf von Klaus Knopp, einem ehemaligen Wetzlarer Weitspringer. Und Gunnar Habl entschied sich für die Leichtathletik und die LG Wetzlar. Gleich im ersten Wettkampf für seinen neuen Verein wurde Gunnar Habl 2001 hessischer Hallenmeister – mit der 4x200 Meter-Staffel an der Seite seines Trainers Andreas Hein, Olympia-Teilnehmer von 1996 und mit 46,07 Sekunden achtschnellster Hesse aller Zeiten auf der Stadionrunde.

Mit dem fünftägigen Urlaub mit Frau und Tochter wird sich Gunnar Habl für seine Geduld und sein Durchhaltevermögen belohnen – und vielleicht kommt sogar noch eine Medaille dazu.

Tammo Lotz

 


20/07/2014