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Comeback 2014 in Nordhessen: Ronja Böhrer kämpft sich an die nationale Spitze


Ronja Böhrer mit der Nummer 440 auf dem Weg zum deutschen U20-Titel über 1.500 Meter (Foto: Benjamin Heller)

Es ist ein Leben für den Sport, für die Leichtathletik, für den Langstreckenlauf, für die Hindernisdistanz. Mit knapp 17 ist sie von Hessisch Lichtenau nach Bad Sooden-Allendorf gezogen; zurück blieben nicht nur ihre Eltern, sondern auch drei Schwestern. Sie wohnte zunächst alleine, dann gab es zwei WGs, auch mit der Stabhochspringerin Juliane Schulze, mittlerweile ist Ronja Böhrer wieder auf sich gestellt. Während des Telefonats bittet sie um eine kurze Unterbrechung. „Ansonsten brennt mein Abendessen an.“ Was in Nordhessen passiert, ist keine gewöhnliche Geschichte einer jungen Leichtathletin. Es ist auch eine Story über frühzeitige Selbstverantwortung, Verzicht und Anpassung an die nicht immer wohltemperierte Leistungssportgesellschaft. „Aber sie hat einen beinahe unheimlichen Drang zu gewinnen“, sagt ihr Trainer Georg Lehrer. „Sie ist ein Siegertyp.“

Wie bei den nationalen U20-Meisterschaften in Bochum-Wattenscheid, wo sie über 1.500 Meter triumphierte. Über 2.000 Meter Hindernis (6:37,94) führt Ronja Böhrer die deutsche U20-Jahresbestenliste an, über 3.000 Meter Hindernis (10:19:46) ist sie Siebte im Umfeld der bisweilen wesentlich älteren U23-Läuferinnen. Persönliches Highlight war ihre Teilnahme an der U20-WM in Eugene (USA). Für dieses Ziel hatte sie hart trainiert und sich zunächst qualifiziert, dann war die Leistungsdichte der Kandidatinnen so enorm, dass der Bundestrainer ein Ausscheidungsrennen ansetzte. Ronja Böhrer schnappte sich letztlich als Titelträgerin bei den „Süddeutschen“ das Ticket in persönlicher Bestzeit. Trotz einer gerade auskurierten Erkältung. Dass sie bei der U23-DM Dritte wurde über 3.000 Meter Hindernis, ist im Verlauf des Sommers beinahe ein wenig untergegangen. „Ich habe 2014 das erreicht, was ich wollte“, sagt Ronja Böhrer. „Aber einiges kam auch ziemlich überraschend.“


Ronja Böhrer und Juliane Schulze (Foto: Benjamin Heller)

In den Fokus gelaufen war sie erstmals im Jahr 2012 mit Platz drei bei der U18-Jugend-DM über 1.500 Meter Hindernis. Was folgte, war ein „richtig grottiges Jahr 2013“. Sportlich lief es nicht, sie verpasste die U20-EM, und noch bis kurz vor Weihnachten machten ihr die Folgen eines Ermüdungsbruchs in der rechten Ferse zu schaffen. „Ich habe mir sogar überlegt, mit dem Sport aufzuhören. Ich hatte das Gefühl, dass niemand mehr an mich glaubt.“ Was auch damit zusammenhing, dass die Abiturientin aus dem C-Kader flog. „Das war ein Knacks und hat zwei, drei Wochen Aufbauarbeit gekostet“, sagt Lehrer. Der 38-Jährige ist Entdecker und Förderer von Ronja Böhrer, Lehrer-Trainer an der Rhenanus-Schule in Bad Sooden-Allendorf und als HLV-Kadertrainer Lauf für die Region Nordhessen zuständig. Lehrer kennt Ronja Böhrer seit dem E-Kader, hat sie und ihre Eltern überzeugt, dass ein Umzug nach Bad Sooden-Allendorf (verbunden mit logistischen Vorteilen) weitere große Leistungssprünge möglich machen würde. So kam Ronja Böhrer mit dem Eintritt in die Oberstufe auf die Rhenanus-Schule. Und trotz der Unterstützung von Mentor Siggi Frühauf war es anfangs nicht einfach. „Ich kannte ja kaum jemanden.“

Ronja Böhrer hat sich durchgekämpft. Mit Unterstützung ihrer Familie, mit ihrem Willen und nicht zuletzt beflügelt von dem eigenen Anspruch, dass sie nach einer verpatzten Saison nicht einfach so aufhören könne. „Sie hat einen unglaublichen Willen“, sagt Lehrer. Ronja Böhrer sagt: „Ich habe mir gedacht: Jetzt zeige ich es allen und fahre zur WM.“ Gesagt, getan.


An Medaillen herrschte zuletzt kein Mangel (Foto: IRIS)

„Eugene, Eugene, Eugene …“ hat sie während des Alternativtrainings vor einem Jahr immer gedacht. Und als sie es schließlich geschafft hatte und bei der WM in den Staaten vor Ort war, erreichten sie Glückwünsche ihres Vorbilds Gesa Krause über Facebook. Das Aus im Vorlauf war etwas unglücklich, doch die Konkurrenzsituation über die längeren Strecken ist bekanntlich extrem hart. „Ich bin wieder auf dem Weg nach oben“, sagt Ronja Böhrer am Jahresende mit vornehmer Zurückhaltung.

Im nächsten Jahr gibt es den nächsten Anlauf. Erstes Ziel ist das Abitur, im Sommer will sie an der U23-EM teilnehmen. Die Norm? Stramme 10:06 Minuten! Mehr als 13 Sekunden schneller als ihre Bestzeit. „Das ist heftig, aber nicht unmöglich“, sagt Ronja Böhrer. „Diese Norm zu erfüllen wäre ein Quantensprung für sie“, meint ihr Trainer. Doch sie gehen es gemeinsam an. Mit neun bis elf Trainingseinheiten pro Woche, mittwochs geht es bereits um 7.45 Uhr los, und als B-Kaderathletin nun wieder mit Unterstützung des DLV. Viel freie Zeit für Treffen mit Freunden bleibt da nicht. Drei Trainingslager stehen bis Ostern 2015 auf dem Programm - in Balderschwang, Portugal und Bad Blankenburg - dann beginnt die neue Freiluftsaison. Und wenn es mal wieder sehr, sehr anstrengend ist, denkt die junge Frau mit den langen Beinen daran, wieviel Spaß es ihr macht, auf den letzten 100 Metern die größten Reserven zu haben.

Uwe Martin

 


28/11/2014