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Gold / Silber / Gold in 80 Minuten


Sieg-Momente: Lisa Mayer und Marc Reuther (Fotos: Iris Hensel)

Marc Reuther hatte es eilig und ließ sich von niemandem aufhalten. Die Treppe runter, rauf auf die Bahn und ab in den Innenraum. Zu seiner Freundin Lisa Mayer. Ihre Hände vors Gesicht geschlagen saß die 18-Jährige auf dem blauen Kunststoffbelag und konnte noch gar nicht richtig glauben, was gerade passiert war. Am zweiten Tag der 47. Deutschen Jugend-Hallenmeisterschaften war sie die 200 Meter so schnell wie noch nie in ihrer jungen Karriere gerannt. In 23,66 Sekunden hatte sie sich die Goldmedaille gesichert. "Das ist der Wahnsinn. Dass das Wochenende so gut verlaufen würde, hätte ich nicht gedacht."


Lisa Mayer hätte auch sagen können, dass unser Wochenende so gut verlaufen würde, hätten wir nicht gedacht. Denn auch Marc Reuther durfte jubeln. Sein Sieg über 800 Meter läutete eine 80-minütige Medaillen-Sause im Hause Mayer/Reuther ein, zu der auch Lisa Mayers zweiter Platz über 60 Meter gehörte. Ebenfalls in Bestzeit (7,41 Sekunden/davor: 7,53). Die Erfolge der beiden hessischen Nachwuchs-Leichtathleten stehen exemplarisch für die Unwägbarkeiten des Sports und dafür, dass es es sich lohnt zu kämpfen und in brenzligen Momente die Ruhe zu bewahren.

"Ich hätte wetten können, dass es ein Bummelrennen wird", sagte Marc Reuther (Wiesbadener LV) und wunderte sich über die seltsame Rennentwicklung im 800 Meter-Finale. Völlig atypisch für ein Meisterschaftsrennen suchte ein Läufer, Marvin Hebenbrock von der LG Dorsten, das Heil in der Flucht. Die restlichen sieben Teilnehmer folgten wie an einer Perlenkette aufgereiht ein paar Meter dahinter. Marc Reuther und der zweite Hesse im Finale, Tilman Garthe von der LG Eder, hielten sich im Mittelfeld auf. Die Zwischenzeit nach 400 Metern: 54,66 Sekunden. Normal in Finals bei Jugendmeisterschaften sind 58-60 Sekunden. "Mache ich etwas falsch oder was passiert hier gerade?" fragte sich Reuther, blieb aber ruhig und behielt die Übersicht. An Position zwei liegend kam der Antritt eingangs der Schlussrunde. Und keiner konnte dem Hessen folgen. "Das flotte Tempo kam mir total entgegen. Es hat mir die Konkurrenten vom Hals gehalten", so der Schützling von Trainer Georg Schmidt. Im Ziel blieben die Uhren nach 1:51,81 Minuten stehen. Saisonbestleistung und noch ein bisschen flotter als im U23-Rennen in Karlsruhe Ende Januar (1:51,92).

Auch wenn Marc Reuther schon immer einen guten Antritt hatte – richtig "cool", wie er selbst sagt, ist er erst nach der letzten Saison geworden. In der musste er erstmals in seiner noch jungen Karriere Rückschläge einstecken, machte taktische Fehler, lief der Norm für die U20-WM in Eugene (USA) lange hinterher. Und nachdem er sie in Osterode endlich geschafft hatte, konnte er danach nicht mehr zulegen. Im Hayward Field war schon nach dem Vorlauf Schluss. Bei den Jugendmeisterschaften in Wattenscheid blieb trotz günstigem Rennverlauf nur Bronze. Auch das Abitur setzte ihm zu. "Ich habe mich verrückt machen lassen, mir zu viele Gedanken gemacht, auch gelernt, dass nicht alles von selbst kommt."


Mit 14,70 Metern so weit wie: der Dreisprung-Dritte Daniel Gescheidle

Geholfen die Enttäuschungen zu verarbeiten haben ihm seine Eltern, seine Schwester und vor allem Lisa Mayer. Für die Unterstützung ist ihnen Marc Reuther dankbar und sagt mittlerweile sogar, dass er über die Rückschläge froh sei. Die Eindrücke aus Eugene spornen ihn an, noch härter und konzentrierter an sich zu arbeiten. An der U20-EM im schwedischen Eskilstuna (16. bis 19. Juli) will er nicht nur teilnehmen, sondern ins Finale und dort "eine gute Rolle spielen". Auf dem Weg dorthin will er sich über 400 Meter verbessern, die 48 Sekunden unterbieten. "Damit sollte ich in der Lage sein, alle taktischen Spielereien mitgehen zu können."

Die kontinentalen Titelkämpfe in Eskilstuna hat sich auch Lisa Mayer in ihrem Terminkalender angestrichen. Das Finale über 200 Meter ist ein Ziel. "Auf jeden Fall aber will ich wieder Staffel laufen", sagt die Germanistik- und Geographie-Studentin. Wie in Eugene (USA), als sie zusammen mit Gina Lückenkemper, Chantal Butzek und Lisa Marie Kwayie über 4x100 Meter Bronze holte. Es war das Highlight einer schwierigen Saison, in der zwei Muskelfaserrisse Lisa Mayer weit zurückwarfen. Doch mit einem "unbändigen Ehrgeiz und Siegeswillen", wie ihr Vater Dietmar erzählt, kämpfte sich die gebürtige Gießenerin zurück. Die späte Belohnung neben Staffel-Bronze in Eugene war die Silbermedaille über 100 Meter in Wattenscheid. Zum Herbst folgte der Umzug von Niederkleen nach Frankfurt, einhergehend mit der Möglichkeit täglich und nicht nur zweimal wöchentlich in der Leichtathletikhalle in Kalbach zu trainieren.

Während viele Sprinter die 100 Meter bevorzugen, zieht es Lisa Mayer auf die doppelt so lange Distanz. Erstens wegen ihrer Defizite am Start, den sie auch in Neubrandenburg über 60 Meter nach eigenen Worten "völlig verschlafen" hat. Zweitens seien ihr die 100 Meter "einfach viel zu schnell vorbei". Dass ihr die 200 Meter liegen, bewies sie im Jahnsportforum eindrucksvoll. Schon im Vorlauf blieb sie in 23,87 Sekunden wie erhofft unter der 24 Sekunden-Marke. Fürs Finale wollte sie diese Zeit bestätigen. Auf der Außenbahn machte sie von Anfang an Druck. In der zweiten Kurve schloss die bis dahin Jahresschnellste Lisa Marie Kwayie (Neuköllner Sportfreunde/23,72) zu ihr auf. Für einen Moment schien sie an der Hessin vorbeizuziehen. Doch Lisa Mayer konterte – und wie. "Ich habe den Schwung aus der Kurve auf die Zielgerade mitgenommen." Lisa Mayer war nicht mehr zu halten – und blieb in 23,66 Sekunden sogar unter ihrer Freiluft-Bestleistung von 23,75 Sekunden von vor zwei Jahren. "Da haben alle die Rechnung ohne Lisa gemacht", meinte ihr Trainer und Entdecker Rainer Finkernagel, der im Winter 2007/2008 auf Lisa Mayer aufmerksam geworden war.


Kurioses Silber nach Kampfrichter-Fauxpas: 1.500 Meter-Läufer Lukas Abele

Damals war Sport "noch nicht so ihr Ding", so Dietmar Mayer über seine Tochter. Rainer Finkernagel aber blieb hartnäckig. Und im März 2008 gewann Lisa Mayer die Waldlauf-Kreismeisterschaften. Der Ehrgeiz war geweckt. Dass sie knapp sieben Jahre später die zweitschnellste europäische Juniorin über 200 Meter (nur die Schwedin Irene Ekelund ist in dieser Hallensaison in 23,45 Sekunden bisher schneller gewesen als Lisa Mayer) sein würde, "das hätte ich mir nicht ausmalen können", so die 18-Jährige.

Auch wenn sie Sprinterin ist, könnte sich Lisa Mayer vorstellen einmal in der Saison 800 Meter zu laufen. Wie Marc Reuther. Einfach so. "Letztes Jahr war ich leider verletzt. Dieses Jahr sollen es in der Vorbereitung auf den Sommer immerhin ein paar 300 Meter-Läufe sein." Und wie hält es Marc Reuther mit dem Sprinten? Der Student der Wirtschaftswissenschaften fängt an zu grinsen und erzählt: "Als Gag bin ich in der Halle einmal 60 Meter gelaufen." Gegen seinen Vereinskollegen und Sprinter Simon Schütz. Seine Zeit: 7,55 Sekunden. Bei den Hochschulmeisterschaften Anfang des Monats in Kalbach überholte Lisa Mayer ihren Freund schließlich in der internen Bestenliste. "Das war das erste Saisonziel, diese 7,55 Sekunden zu unterbieten. Ständig musste ich mir anhören, wie langsam ich doch sei. Das ging gar nicht." Jetzt hat Lisa Mayer die Reihenfolge zurechtgerückt. Nun muss sich Marc Reuther den ein oder anderen Spruch anhören. Der gibt vorerst klein bei und sagt: "Ich bleibe lieber bei den 800 Metern."

Die Bilanz der hessischen Starter bei den 47. Deutschen Jugend-Hallenmeisterschaften in Zahlen (Plätze 1-8):
1. Platz, Weitsprung: Nathalie Buschung (Königsteiner Leichtathletikverein) 6,36 Meter
1. Platz, 200 Meter: Lisa Mayer (LG Langgöns/Oberkleen) 23,66 Sekunden
1. Platz, Weitsprung: Gianluca Puglisi (LG Eintracht Frankfurt) 7,39 Meter
1. Platz, 800 Meter: Marc Reuther (Wiesbadener LV) 1:51,81 Minuten
2. Platz, 1.500 Meter: Lukas Abele (SSC Hanau-Rodenbach) 3:57,35 Minuten
2. Platz, Hochsprung: Mona Gottschämmer (TV Neu-Isenburg) 1,78 Meter
2. Platz, 4x200 Meter (MJ): LG Eintracht Frankfurt (Jan Näser, Daniel Sturma, Gianluca Puglisi, Niklas Wenzel) 1:28,16 Minuten
2. Platz, 60 Meter: Lisa Mayer (LG Langgöns/Oberkleen) 7,41 Sekunden
2. Platz, Hammerwurf (U18): Katharina Zeisler (LG Seligenstadt) 55,52 Meter
3. Platz, Dreisprung: Daniel Christoph Gescheidle (SKV Nauheim) 14,70 Meter
4. Platz, Hammerwurf (U20): Konstantin Steinfurth (LG Eppstein-Kelkheim) 57,08 Meter
4. Platz, 60 Meter Hürden: Daniel Sturma (LG Eintracht Frankfurt) 7,99 Sekunden
5. Platz, 800 Meter: Tilman Garthe (LG Eder) 1:53,43 Minuten
5. Platz, Hammerwurf (U20): Sophie Gounoué (LG Eintracht Frankfurt) 48,37 Meter
6. Platz, 3.000 Meter: Yannik Gerland (SSC Bad Sooden-Allendorf) 8:54,33 Minuten
6. Platz, 60 Meter Hürden: Jessica Suschlik (TV Reisen) 8,82 Sekunden
7. Platz, Hammerwurf (U18): Anika Jürß (TG Unterliederbach) 48,16 Meter
7. Platz, 4x200 Meter (WJ): Königsteiner Leichtathletikverein (Maureen Zimmer, Alina Kunz, Elena Kelety, Marie Koller) 1:41,86 Minuten
7. Platz, Stabhochsprung: Juliane Schulze (SSC Bad Sooden-Allendorf) 3,70 Meter
8. Platz, Hammerwurf (U20): Isabel Weitzel (ESV Jahn Treysa) 45,82 Meter
8. Platz, Speerwurf (U20): Sara Lisa Zorn (SSC Hanau-Rodenbach) 36,39 Meter.

Zu den Ergebnissen

Tammo Lotz

 


17/02/2015