Michael Schrader plant Comeback in Götzis
Michael Schrader im Trikot des SC Hessen Dreieich (Foto: www.michaelschrader.com)
Er ist wieder da. Anders gesagt: Michael Schrader trainiert. Das alleine ist nicht unbedingt eine Botschaft, die Zehnkampf-Fans aufhorchen lässt, denn körperlich fit gehalten hat sich der WM-Zweite von 2013 auch in den zurückliegenden knapp eineinhalb Jahren. Genauer seit er vom TSV Bayer Leverkusen zum SC Hessen Dreieich südlich von Frankfurt gewechselt ist und anschließend eine Wettkampfabsage nach der anderen übermittelte. Zunächst die Hallen-WM 2014, dann das Mehrkampf-Meeting in Götzis (April 2014), zuletzt das Meeting in Ratingen (Juni 2014). Womit zugleich seine Chance dahin war, sich für die EM zu qualifizieren. Der Grund ist stets derselbe gewesen: anhaltende Knieschmerzen. Ein Jahr nach seinem grandiosen WM-Zehnkampf von Moskau, wo der 27-Jährige mit persönlicher Bestleistung (8.670 Punkte) nur von Weltrekordhalter Ashton Eaton (USA/8.809 Punkte) bezwungen worden war, wurde es still um Schrader.
Mitte Februar kam das erste positive Signal („Das Training zur Vorbereitung auf die neue Saison hat begonnen. Endlich mal mehr als Aqua-Jogging und Rad fahren“), und am 8. März schrieb Schrader auf seiner Website: „Bei sommerlichen Temperaturen in Südafrika macht das Training unter optimalen Bedingungen richtig Spaß.“ Die Leidenszweit des Wahl-Hessen scheint vorüber zu sein - Ende Mai möchte er in Götzis (Österreich) sein Comeback geben. Gemeinsam mit Trainer Wolfgang Kühne und dem Olympiasechsten Rico Freimuth (SV Halle) hat Schrader derzeit in Stellenbosch für mehrere Wochen Quartier bezogen. „Rico und ich trainieren fleißig in Südafrika. Wir sind gut drauf und gönnen uns nach dem Training ab und zu ein kühles Eisbad, um die müden Beine wieder fit zu kriegen“, teilt der Zehnkämpfer via Facebook. Zu sehen ist auch ein Videoclip vom Hürdentraining.
„Michael ist völlig schmerzfrei und auf einem guten Weg. Er kann alles trainieren“, sagt Claus Marek, der leitende Mehrkampf-Bundestrainer. Marek scheint selbst verwundert zu sein über die positiven Botschaften vom anderen Ende der Welt. Denn „die Fachleute hatten schon sämtliche Hoffnungen aufgeben“. Die Hoffnung, dass der von Verletzungen geplagte Schrader es nochmals schaffen würde. „Ohne Schmerzen geht es im Zehnkampf überhaupt nicht. Zumindest nicht in meinem Alter. Solange sich die Schmerzen in Grenzen halten, ist das in Ordnung“, hat der Zehnkämpfer einmal gesagt. Diese drei Sätze könnten als Leitmotiv über seiner Karriere stehen. Verpasst hat der Sportsoldat wegen Verletzungen die Heim-WM 2009 in Berlin, die Olympischen Spiele 2012 in London sowie die EM 2014 (Zürich).
Michael Schrader und Pascal Behrenbruch (Foto: Iris Hensel)
Nach zwei deutschen Titeln im Nachwuchsbereich (2005, 2007) war der Hochbegabte 2009 mit dem Sieg im Zehnkampf-Mekka Götzis (8.522 Punkte) in die Riege der Premium-Weltklasseathleten aufgerückt, ein Jahr später wurde er deutscher Meister. Doch sein Körper hielt den Belastungen nicht stand, ein Ermüdungsbruch im Fuß und Schmerzen im Sprunggelenk brachten ihn um die Jahre 2011 und 2012. Umso bemerkenswerter war bereits sein erstes Comeback im Mai 2013 in Ulm (8.427 Punkte). Drei Monate später begeisterte er bei der WM in Moskau. „Michael ist ein Athlet, der innerhalb kürzester Zeit wieder anspringen kann“, sagt Marek. Ein Zehnkämpfer, der höchst anspruchsvolle Bewegungsabläufe auf Weltklasseniveau fast schon ad hoc abrufen kann. „So etwas habe ich noch nie gesehen“, sagt Marek. Die Voraussetzungen: ein - hinlänglich - gesunder Körper und zusätzlich zu den Basisübungen (Kraft, Sprintfähigkeiten, Schnellkraft) ein paar spezielle Trainingseinheiten. Marek spricht in diesem Zusammenhang von „einem mentalen Gedächtnis“.
Der deutsche Stehauf-Zehnkämpfer Schrader könnte im WM-Jahr 2015 wieder für Schlagzeilen sorgen. Und damit nicht nur den nationalen Konkurrenzkampf forcieren. Denn allein in Hessen sind mit dem ehemaligen Europameister Pascal Behrenbruch (LG Eintracht Frankfurt) sowie dem 2012er-Olympiateilnehmer Jan Felix Knobel (Königsteiner LV) weitere Weltklasse-Zehnkämpfer recht aussichtsreich im Wettbewerb. Knobel kämpft nach einem verletzungsbedingten Sabbatical-Jahr 2014 (Achillessehnenreizung) um die Rückkehr in die Weltklasse, Behrenbruch präsentierte sich im vergangenen Sommer reichlich formschwach und verpasste ebenfalls die EM. Im Gegensatz zu Schrader, der in seiner Karriere nun schon fast vier Jahre wegen Verletzungen im Wettkampfabseits stand, müssen sie vergleichsweise kleine Schwierigkeiten überwinden. „Michael wird auch im Kopf nicht müde“, meint Marek voller Bewunderung.
Uwe Martin
26/03/2015