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DM in Nürnberg: Drei von 101


Der Hessische Leichtathletik-Verband (HLV) ist bei den 115. Deutschen Meisterschaften im Nürnberger Grundig Stadion mit 101 Teilnehmer/innen aus 24 Vereinen vertreten. Verletzungsbedingt abgesagt für das nächste Wochenende hat die Vorjahresmeisterin Christiane Klopsch (LG Friedberg-Fauerbach/400 Meter Hürden) sowie der Zweite von 2014, Homiyu Tesfaye (LG Eintracht Frankfurt/1.500 Meter). Bleiben noch Martin Günther (Hochsprung) und Kathrin Klaas (beide Frankfurt/Hammerwurf), die im Fränkischen ihre Titel verteidigen können. An der Spitze der DLV-Jahresbestenliste stehen Gesa Krause (3.000 Meter Hindernis) und Betty Heidler (beide Frankfurt/Hammerwurf). Für die besten Hessen ist Nürnberg nur eine Durchgangstation auf dem Weg zur WM in Peking (22. bis 30. August) - ganz im Gegensatz zu den meisten anderen. Hier lauten die Schlagwörter Normerfüllung für den Saisonhöhepunkt und bisweilen gilt das olympische Motto: Dabei ist alles! Aber ist es das wirklich? hlv.de hat exemplarisch drei Athleten aus der zweiten, auch dritten Reihe nach ihren Zielen gefragt und wie sie damit umgehen, dass ihr Wettkampf recht schnell vorbei sein könnte.


Leon Kirchner (Foto: IRIS)

Leon Kirchner - TV Königstädten: „Ich glaube daran, dass ich es schaffe“, sagt Leon Kirchner. Dass ihm der Einzug ins Finale der besten acht im Dreisprung gelingt. „Ich habe schon Chancen, die Treppe hochzusteigen.“ Also muss der 19-Jährige in Nürnberg besser sein als die teilweise knapp vor ihm platzierten Athleten, nur dann reicht es. 15,22 Meter hat die Abfolge Hop, Step, Jump in diesem Sommer bereits ergeben - persönliche Bestleistung bei den Hessenmeisterschaften in Darmstadt. Eine Woche zuvor bei den deutschen U23-Meisterschaften in Wetzlar war Kirchner Fünfter geworden mit 15,16 Metern. Der deutsche Jahresbeste Marcel Kornhardt (ASV Erfurt) ist bislang also einen knappen Meter weiter gesprungen (16,20). Auf aktuell 15,50 Meter taxiert Kirchner sein aktuelles Leistungsvermögen, sein Trainer Liviu Giurgian hat ihm sogar prophezeit: „Du wirst mein erster 16-Meter-Springer.“ Giurgian war mehrmals rumänischer Meister, EM- und WM-Teilnehmer über 110 Meter Hürden, Bestzeit 13,47 Sekunden (1986). „Er ist mein Trainer und ein Freund, der mich auch im privaten Bereich unterstützt.“ Leider kann Giurgian in Nürnberg nicht vor Ort sein, in Rumänien heiratet ein Neffe, er ist verhindert.

So wird Nachwuchs-Bundestrainer Charles Friedek den Hessen betreuen. Näher kennengelernt haben sich die beiden bei einem gemeinsamen Ostertrainingslager in Ungarn. Friedek, die etwas Älteren werden sich erinnern, wurde in Gießen geboren, 1999 sprang er mit 17,59 Metern zum WM-Titel. Groß geworden ist er bei der LG Langgöns/Oberkleen und später bei der LG Frankfurt. Für Kirchner sind es die zweiten deutschen Aktivenmeisterschaften (nach der Hallen-DM in Karlsruhe), seine Nervosität dürfte sich also in Grenzen halten. Obwohl er sich erst seit zweieinhalb, drei Jahren intensiv dem Dreisprung widmet, ist er in der Szene integriert, kein Unbekannter mehr, in der DLV-Saisonbestenliste auf Position 15 notiert. Und der junge Mann aus Mörfelden hat eine durchaus realistische Sichtweise auf seine Sportart und seine Disziplin. „Ich bin mir bewusst, dass die Leichtathletik nicht mein Beruf werden kann.“ Leichtathletik ist eine Leidenschaft, „aber deshalb muss ich nicht jeden Tag darüber sprechen.“ Denn er hat auch andere sportliche Interessen, etwa mit seinem Vater Badminton spielen. Und der Dreisprung? „Als Dreispringer tut einem immer irgendetwas weh. Die Leistung kommt ja nicht von Stabilisationsübungen. Aber momentan bin ich schmerzfrei.“ Das klingt nicht so, als müsste nach drei Vorkampfversuchen schon unbedingt Schluss sein. Kirchner ist am Samstag ab 15.18 Uhr gefordert.


Marko Arthofer (Foto: privat)

Marko Arthofer - LG SSG/VfL Bensheim: Der 24-Jährige ist über 800 Meter gemeldet, und mit einer persönlichen Bestzeit von 1:49,59 Minuten die Nummer 16 der DLV-Saisonbestenliste. Geht da was? Und was geht? Am Samstag um 14.25 Uhr steht der Vorlauf an, im Finale am Sonntag (15.05 Uhr) stehen dann die acht schnellsten Läufer. Im vergangenen Jahr hat Arthofer den Endlauf um nur vier Hundertstelsekunden verpasst - das soll nun anders werden. „Ich fahre nach Nürnberg, um als Amateur die Profis zu ärgern“, sagt Arthofer. Was durchaus gelingen könnte, denn nicht alle besser Platzieren treten in Nürnberg an; andere (wie Timo Benitz) haben die Saison verletzungsbedingt schon beendet. Der gelernte Karosseriebauer arbeitet Vollzeit in einem Darmstädter Autohaus, vor zwei Jahren hat er seine Meisterprüfung abgelegt, zu seiner Wohnung in Weiterstadt ist es nicht weit. Jedenfalls näher als zur Trainingsgruppe in Bensheim um Coach Stephan Rapp. Dreimal pro Woche ist er dort, das Laufteam unternimmt auch privat einiges zusammen, bis hin zum gemeinsamen Urlaub. „Laufen ist mein zweiter Beruf, mein Hobby. Ich liebe den Sport“, sagt Arthofer. Seine Eltern und seine Freundin halten ihm den Rücken frei, an Werktagen hat er selten vor 21 Uhr wirkliche Freizeit. „Klar ist das manchmal umständlich. Arbeiten, nach Hause fahren, Sachen packen, dann fahre ich direkt wieder.“ Im Sommer sind es wöchentlich insgesamt sechs Trainingseinheiten, im Winter mehr, auch morgens vor dem Job, dann heißt es um 5 Uhr aufstehen.

Arthofer hat zunächst neun Jahre Fußball gespielt, mit der Leichtathletik begonnen hat er in Weiterstadt und bei Liviu Giugian ein vielseitiges Training absolviert. 2007 wechselte er nach Trebur, 2011 nach Bensheim. Der Südhesse ist seit drei Wochen Süddeutscher Meister, zuvor hatte er sich schon den Hessentitel geholt. Die DM-Norm (1:51,70) unterbot er bereits an Pfingsten in Rehlingen. Kürzlich hat er sich in Wiesbaden über 400 Meter auf 49,58 Sekunden gesteigert. „Es geht noch schneller“, sagt Arthofer. Und solange er sich stetig verbessere, sei es kein Thema, seinen Full-Time-Job möglichweise stundenweise zu reduzieren. Der Vorlauf steht am Samstag um 14.25 Uhr angesetzt, der Endlauf einen Tag später um 15.05 Uhr.


Sven Medenbach (Foto: privat)

Sven Medenbach - LSG Goldener Grund: Nicht nur der Hürdensprinter aus dem Kreis Limburg-Weilburg hat in den vergangenen Jahren die Erfahrung gemacht, dass es zunehmend schwieriger wird, sich für die DM zu qualifizieren. Was nicht an seiner Leistungsentwicklung, sondern an den immer strengeren DLV-Normen liegt. Mit persönlicher Bestzeit von 14,49 Sekunden hat sich der 24-jährige Hessenmeister über 110 Meter Hürden in Darmstadt die Zulassung gerade so erkämpft, das Limit betrug 14,50 Sekunden. Sein Vereinskollege Martin Böhm (14,61) scheiterte knapp. Dabei ist es noch gar nicht lange her, dass die Norm auf 14,70 Sekunden festgesetzt war. Medenbach, der Mathematik studiert hat und derzeit als IT-Controller in einem kleinen Unternehmen in Limburg beschäftigt ist und von Martin Rumpf trainiert wird, sieht seine Sportreise ins Fränkische in der Tat unter dem olympischen Motto: Hinfahren, Dabeisein, ein möglichst schnelles Rennen auf die Bahn zaubern. Am Samstag um 17 Uhr, und es ist sein einziger Lauf in Nürnberg. „Für den Endlauf wird es nicht reichen“, sagt Medenbach, der in Dietenhausen wohnt und in Niederselters trainiert. Er nimmt Platz 26 in der DLV-Jahresbestenliste ein, gemeldet haben 20 Teilnehmer, darunter der deutsche Top-Zehnkämpfer Kai Kazmirek. „Ich möchte eine Bestzeit laufen. Zwei, drei Zehntel sind noch drin“, sagt Medenbach. Der Hürdensprinter will zudem die Atmosphäre in dem vollbesetzten Stadion aufsaugen. Auch daraus zieht er Motivation, wie aus dem Training in der Gruppe. „Die Gemeinschaft bei der LSG Goldener Grund gefällt mir gut. Alleine zu trainieren wäre ungleich schwieriger.“

Medenbach hat als Zehnkämpfer begonnen, irgendwann wurde ihm jedoch der Aufwand zu hoch, in der U18/U20 probierte er sich über 400 Meter Hürden, seit fünf Jahren ist er als Kurzhürdler unterwegs. Ganz intensiv seit zwei Jahren. „Mir macht die Leichtathletik einfach viel Spaß“, sagt er. Von DM-Startern wie ihm, die im besten Alter keine Chance mehr haben, national ganz nach vorne zu laufen, lebt die Leichtathletik.

Uwe Martin

 


23/07/2015