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WM-Vorschau, Teil 2: Heidler konstant, Schrader lauert, Klaas auf der Suche nach der Form


Betty Heidler: Bisher einmal Erste und zweimal Zweite bei Weltmeisterschaften (Foto: IRIS)

Schwülwarme Hitze, Höchstwerte bis 34 Grad, Tiefstwerte kaum unter 20 Grad, verschmutzte Luft, Smog – die 1.936 Athleten aus 207 Ländern erwarten bei den 15. Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Peking extreme Bedingungen. Zur Erinnerung: Die Olympischen Spiele 2008 in Peking sind als die Spiele mit der höchsten Luftverschmutzung in die Geschichte eingegangen – trotz reduziertem Autoverkehr und gesenkten Emissionen. Was hat sich seitdem getan? Wenn man Berichten Glauben schenkt, in denen Pekings Luftqualität mit dem Konsum von 40 Zigaretten pro Tag verglichen wird, wohl nicht viel. Wie auch immer, nun zum sportlichen Teil. Wie steht es um die Chancen der sechs hessischen Athleten in Peking, wann greifen sie ins Geschehen ein und wer sind ihre größten Konkurrenten? Nach dem ersten Teil über Carolin Schäfer, Claudia Rath und Gesa Krause geht es nun um die Hammerwerferinnen Betty Heidler und Kathrin Klaas sowie den Zehnkämpfer Michael Schrader. Eine Orientierungshilfe:

Betty Heidler (LG Eintracht Frankfurt/Hammerwurf): Sie ist die bislang erfolgreichste Athletin einem hessischen Trikot bei Weltmeisterschaften. Titelgewinnerin 2007, WM-Zweite 2009 und 2011, bis Ende August 2014 auch Weltrekordhalterin mit 79,42 Metern - Betty Heidler, die seit fast zwei Jahren wieder in ihrer Heimatstadt Berlin lebt. Bei der 15. WM in Peking ist die 31-Jährige zudem Mannschaftskapitänin des deutschen Teams. Es gibt sehr viele gute Gründe, die Weltrekordhalterin Anita Wlodarczyk (81,08 Meter) als neue Weltmeisterin zu setzen, schließlich hat die Polin die sechs besten Wettkämpfe in diesem Jahr aufzuweisen. Dahinter stehen fünf Weiten von Betty Heidler in der IAAF-Statistik. Ist also auch sie „gesetzt“? Dieser Gedanke greift womöglich etwas kurz. Denn trotz ihrer internationalen Erfolge in der Vergangenheit hatte die Wahl-Frankfurterin auch unerklärliche Tiefpunkte bei großen Meisterschaften. Etwa das Aus in der WM-Qualifikation 2005 in Helsinki sowie 2013 in Moskau. Auch die EM im vergangenen Jahr in Zürich verlief mit dem fünften Platz und 72,39 Metern alles andere als überzeugend. „Jetzt gilt es, die Saison zu krönen. Ich bin überzeugt, dass wir ein erfolgreiches Team sind", sagte Betty Heidler nach der DLV-Mannschaftssitzung im Vorbereitungscamp in Jeju (Südkorea). Hinter der zehnmaligen deutschen Hammerwurfmeisterin, Olympiavierten 2004 und Olympiadritten 2012 tut sich in der Jahresweltbestenliste eine kleine Lücke auf. Die Slovakin Martina Hrasnová (persönliche Bestleistung 76,90 Meter), die 21-jährige Französin Alexandra Tavernier (74,05) sowie die chinesische WM-Vierte Zheng Wang (77,68) kommen für die Medaillen ebenfalls in Frage. Eine andere nicht: Tatjana Beloborodova aus Russland, besser bekannt als Tatjana Lysenko, Weltmeisterin 2011 und 2013, Olympiasiegerin 2012 und aufgrund ihrer zweijährigen Dopingsperre bis Mitte Juli 2009 eine Art Feindbild der deutschen Top-Werferinnen, ist nicht gemeldet. Ausgestattet mit einer abgrundtiefen Jahresbestleistung von 63,81 Metern nahm die Titelverteidigerin von ihrer Wildcard (Freistart) keinen Gebrauch. (tin.)


Kathrin Klaas: Befreiungsschlag in Peking? (Foto: IRIS)

Kathrin Klaas (LG Eintracht Frankfurt/Hammerwurf): Bevor wir uns der beinahe ewigen Nummer zwei im deutschen Frauen-Hammerwurf widmen, noch ein Bonmot aus der aktuellen Ausgabe des „glüXmagazins“, der kostenlosten Kundenzeitschrift (auch) von Lotto Hessen. Dort findet sich in der WM-Vorschau auf Seite drei tatsächlich die Überschrift „Goldene Eier im Vogelnest!“ Und dann wundert sich noch jemand über den Niedergang der deutschen Sprachkultur. Wobei „Gold“ gar kein schlechtes Stichwort ist. Denn goldfarben ist der Hammer, mit dem sich Kathrin Klaas auf ihrer neuen Homepage präsentiert, dazu in High Heels und mit knappem schwarzen Oberteil. Viel Hochglanz und Sex-Appeal für eine Disziplin, deren Protagonistinnen von manchen leichtathletischen Laien immer noch als plump belächelt werden. Zu Unrecht, wenn man genauer hinschaut und die Schnelligkeit, Dynamik und Feingefühl im Weltrekordwurf von Anita Wlodarczyk entdeckt.

Nun aber zu Kathrin Klaas. Mit 11 Jahren hat sie mit dem Hammerwerfen angefangen. Bis 17 sprintete sie auch über die Hürden, seitdem betreibt sie ausschließlich die überaus komplexe Wurfdisziplin. Und mit 31 Jahren steckt Kathrin Klaas, zumindest sportlich, in einem ziemlichen Dilemma. Denn der Hammer fliegt einfach nicht mehr so weit, wie sie gerne möchte. In Zahlen ausgedrückt: 72,77 Meter, das ist ihre Jahresbestweite, Nummer 13 in der Welt und von allen 32 gemeldeten Teilnehmerinnen in Peking an Position elf geführt. Gründe? „Es haben sich in diesem Jahr einige Fehler eingeschlichen. Ich habe noch nicht meine Position gefunden, um bei hoher Geschwindigkeit wenige Fehler zu machen“, sagte die Athletin von Trainer Helge Zöllkau nach seltsamen 67,84 bei der DM in Nürnberg. Den Dreh raus hatte sie vor etwas mehr als drei Jahren im olympischen Finale von London, sie warf Bestleistung (76,05) und belegte Platz fünf. Zudem hat sie seit 2009 jedes Jahr, mit einer Ausnahme (2013), stets mit mindestens 74,23 abgeschlossen, sie wurde WM-Vierte (2009), EM-Vierte (2014), WM-Siebte (2011), dreimal blieb sie beim globalen Großereignis jedoch in der Qualifikation hängen (2005, 2007, 2013).

2015 stehen für Kathrin Klaas zehn Wettkämpfe in der Statistik, einmal produzierte sie drei ungültige Versuche und die Durchschnittsweite bei den restlichen neun Starts beträgt gerade einmal 69,65 Meter. Solch eine Weite reichte zuletzt 2007 für den Einzug ins WM-Finale der besten Zwölf. Und damals war der Entwicklungsstand im Frauen-Hammerwurf ein anderer als heute, es warfen 28 Frauen weltweit über 70 Meter, 2015 sind es bereits deren 39. Nach der desaströsen DM hieß es verlorenes Selbstvertrauen wieder aufzupolieren. Am 9. August in Stettin (Polen) flog der Hammer immerhin wieder auf 71,76 Meter – ein Aufwärtstrend auf mäßigem Niveau. Vor der Qualifikation am 26. August bleiben bei Kathrin Klaas trotzdem viele Fragezeichen. (tam)

Die Hammerwurf-Qualifikation beginnt am Mittwoch, 26. August, um 3.30 Uhr (MESZ/Gruppe A) bzw. 4.55 Uhr (Gruppe B). Das Finale steigt am 27. August um 13.00 Uhr.

Prognose:: Betty Heidler gewinnt eine Medaille, für Kathrin Klaas reicht es zu einer Top-12-Platzierung – wenn sie sich technisch stabilisieren konnte.


Die deutschen Zehnkämpfer (v. l. stehend) Michael Schrader, Kai Kazmirek und vorne Rico Freimuth (Foto: privat)

Michael Schrader (SC Hessen Dreieich/Zehnkampf): Michael Schrader ist abgehoben und im DLV-Vorbereitungscamp auf der südkoreanischen Insel Jeju angekommen. Begleitet haben den 27-Jährigen auch gute Wünsche seines hessischen Klubs, für den er seit Anfang 2014 startet. „Daumendrücken für Michael Schrader bei der Leichtathletik-WM“, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Latte liegt hoch, denn: 2013 konnte der Sportler des SC Hessen Dreieich den Vizeweltmeistertitel abräumen. Der Zehnkämpfer selbst gibt sich recht entspannt: „In erster Linie möchte ich natürlich eine gute Punktzahl erreichen und eine durchweg solide Leistung zeigen.“ 31 Zehnkämpfer, früher gerne Könige der Athleten genannt, haben für die WM in Peking gemeldet, und nur vier haben in diesem Jahr mehr Punkte gesammelt als Schrader. Der mittlerweile 31 Jahre alte US-Amerikaner Trey Hardee (8.725 Punkte), der WM-Dritte von 2013, Damian Warner (Kanada/8.659), der in Peking verletzt fehlende Franzose Kevin Mayer (8.469/WM-Vierter 2013) sowie Kai Kazmirek von der LG Rhein-Wied (8.462). Dann folgt Schrader mit 8.419 Punkten, erzielt Ende Juni bei seinem zweiten 2015er Zehnkampf in Ratingen. Wer in der Aufzählung der Favoriten noch fehlt, ist natürlich der Weltrekordhalter (9.039) und Titelverteidiger Ashton Eaton. Der US-Amerikaner hat in diesem Jahr noch keinen Zehnkampf absolviert, da er seine Teilnahme in Götzis krankheitsbedingt absagen musste. Passieren keine unvorhergesehen Dinge, kann Eaton kaum verlieren. Und Schrader? Bei ihm wird vieles, wenn nicht alles davon abhängen, wie er in den Wettkampf hineinfindet. Als starker Sprinter (100-Meter-Bestzeit: 10,52 Sekunden) und überragender Weitspringer (8,05 Meter) wäre der Wahl-Hesse dann sofort vorne dabei, müsste sich in seinen schwächeren Disziplinen Kugelstoßen und Hochsprung stabilisieren, um über 400 Meter (Bestzeit: 47,66 Sekunden) wieder anzugreifen.

8.760 Punkte erreichte Schrader bei seinem bislang besten Zehnkampf bei der WM 2013 in Moskau. Dieses Gesamtniveau dürfte er in Peking nur in absoluter Bestform erreichen. Bei seinen letzten Einzeltests im Rahmen des Thorpe Cups in Filderstadt-Bernhausen „mit schweren Beinen vom Training“ lief er die 100 Meter in 10,77 Sekunden, sprang 1,90 Meter hoch, stieß die Kugel auf 14,03 Meter und warf den Diskus 42,31 Meter weit. Über 110 Meter Hürden kam Schrader auf 14,39 Sekunden, im Stabhochsprung patzte er mit drei ungültigen Versuchen bei seiner Einstiegshöhe von 4,66 Meter (Bestleistung: 5,10). Die renommierte Fachzeitschrift „Athletics Weekly“ tippt übrigens die Medaillenrangfolge so: Eaton, Hardee, Warner. Was ein wenig einfallslos daherkommt, weil eigentlich nur die aktuelle Jahresweltbestenliste (plus Weltrekord) berücksichtigt wird. Überraschungen sind im Zehnkampf aber fast immer drin. Sehen wir mal.

Der Zehnkampf beginnt am Freitag, 28. August, um 3 Uhr (MESZ) mit den 100 Metern, wird am am 29. August zur gleichen Uhrzeit mit den 110 Meter Hürden fortgesetzt und endet um 14.10 Uhr mit den 1.500 Metern.

Prognose:: Für Schrader ist zwischen Platz zwei und acht alles möglich. (tin.)

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20/08/2015