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Silvesterlauf Frankfurt: Strecke 300 Meter zu kurz


Sarah Kistner, die Tagessiegerin 2016 (Foto: Facebook)

Dass etwas schief gelaufen war, stand im Sozialen Netzwerk Facebook zu lesen, bevor die Veranstalter von Spiridon Frankfurt eine eigene Erklärung abgegeben hatten. Beim Silvesterlauf Frankfurt hatte es eine Panne gegeben, die Strecke war zu kurz, zum zweiten Mal nach 2005. Damals hatte sich der international renommierte Vermesser Dieter Damm schlichtweg vermessen und die Distanz betrug nur 9.319 Meter und keine 10 Kilometer. Und als ob der Klub-Vorsitzende Thomas Rautenberg noch immer das Trauma von vor elf Jahren im Sinn gehabt hätte, schrieb er in seiner Ankündigungs-Pressemitteilung von „exakt vermessenen 10 Kilometern“. Und dann lief es doch nicht wie geplant. „Ein Streckenposten hat bei Kilometer 4,5 das komplette Feld auf eine falsche Strecke geleitet, so dass im Ergebnis alle Teilnehmer zirka 300 Meter zu kurz gelaufen sind. Wir können uns das schwer erklären (…) wir haben dafür die Verantwortung zu übernehmen und entschuldigen uns für diesen Fehler“, heißt es in der Erklärung auf der Spiridon-Homepage. Insofern sind alle erzielten Zeiten Makulatur, auch die hochwertigen Ergebnisse der Sieger Tilahun Babsa (29:40 Minuten/Spiridon Frankfurt) und Sarah Kistner (33:13/MTV Kronberg).


Die weiterhin offiziellen Streckenrekorde werden auch nach der 38. Auflage gehalten von Ivan Uvizl (CSSR, 1989/29:42) und Iris Biba (Freigericht, 1999/33:04). Dabei waren 2.025 Finisher ein Ergebnis, das sich durchaus sehen lassen kann. Unter ihnen war auch Lisa Oed vom SSC Hanau-Rodenbach, die als Zweitplatzierte nach 34:18 Minuten ins Ziel kam. Ins Rennen gegangen war die Team-Zweite der Cross-EM, um den U18-Hessenrekord von Sarah Kistner (35:39/2014) anzugreifen. Als auch Lisa Oed den Wettkampf nach zu wenigen Metern beendete, zeigte ihre Uhr 9,6 gelaufene Kilometer, der Rekord wäre also durchaus mögloch gewesen. Extrem ärgerlich.

Dabei gibt es bundesweit nicht viele Veranstaltungen, die auf eine ähnliche lange Historie verweisen können. Der Silvesterlauf in Trier, gerne als „deutsches Sao Paulo“ gepriesen, findet seit dem Jahr 1990 statt; von Werl nach Soest wird seit 1982 gelaufen; Bietigheim ist zwei Jahre jünger als Frankfurt. Ja, Berlin, natürlich Berlin. Lediglich dieser Silvesterlauf ist definitiv älter. In Frankfurt waren bei der Premiere am 31. Dezember 1979 auf der Babenhäuser Landstraße etwa 600 Teilnehmer am Start.


Ex-Spiridon-Chef Gerard Schroeder (Foto: privat)

Start und Ziel befinden sich mittlerweile vor der Wintersporthalle nahe der WM-Arena. Verdammt lange her. Und 1979 beim „Großen Frankfurter Silvesterlauf“ erfolgte die Zeitmessung noch per Hand, bis die Ergebnisse endlich alle gesetzt waren, sind ein Dutzend Helfer bis ins nächste Jahr beschäftigt gewesen. Bei der Siegerehrung stand der seinerzeitige Spiridon-Chef Gerhard Schroeder auf einem Lkw-Anhänger. Die Laufbewegung war noch jung, neun Jahre zuvor, also 1970, hatte der Deutsche Sportbund die bewegende Aktion „Trimm Dich“ initiiert. Das Maskottchen „Trimmy“ sollte die Nation zum Laufen bringen - Sport macht Spaß und ist gesund, lautete das Motto. Auch der damalige Bundespräsident Walter Scheel beteiligte sich 1975 am Laufen ohne zu schnaufen, und in einem Werbespot tat eine attraktive Dame kund, dass Laufen zur Kosmetik gehöre. Sogenannte Volksläufe gab es nur vereinzelt, und so stand Frankfurt vor knapp 40 Jahren mit dem Silvesterlauf an der Spitze einer innovativen Szene.


Der Facebook-Post von Tinka Uphoff nach dem Rennen

Jedermann sollte und konnte starten, bekam selbst ohne Vereinszughörigkeit eine Urkunde und frischte sein Selbstwert- und Lebensgefühl auf. Eine Motivationsbasis, die heutzutage genauso selbstverständlich ist wie die sozial-kulturelle Bedeutung des Breitensports. Auch der Silvesterlauf in Frankfurt hat sich gewandelt, so hat die Handzeitnahme seit 1995 ausgedient, bereits ein Jahr zuvor war der erste Kinder- und Jugendlauf in die Veranstaltung integriert worden. Eis, Schnee oder Matsch auf der Strecke - was einen erwartet, weiß man vorher eigentlich nie genau. Von der Babenhäuser Landstraße ging es später ins Waldstadion, und als der Umbau zur Fußball-Arena begann, mussten die Teilnehmer sogar in die Otto-Fleck-Schneise ausweichen. Seit einigen Jahren befinden sich Start und Ziel unmittelbar vor der Wintersporthalle. „Wir sind eine Veranstaltung zum Austoben“, hat Rautenberg einmal gesagt. Laufen pur, ohne viel Schnickschnack, quasi ein letzter individueller Härtetest vor dem großen Zuprosten.

Und daran beteiligten sich auch viele deutsche Spitzenläuferinnen und -läufer. Helmut Stenzel vom OSC Hoechst gewann dreimal (1981, 1984, 1985), auch Charlotte Teske, Iris Biba und die viermalige Gewinnerin Petra Wassiluk vom ASC Darmstadt (1993, 1994, 1996, 2000) finden sich in den Siegerlisten. Und Uta Eckhardt, die große Hoffnung der Frankfurter Eintracht in den achtziger Jahren.

Uwe Martin

 


01/01/2017