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Jan Felix Knobel trotzt den Rück- und Tiefschlägen


Jan Felix Knobel 2012 in Mörfelden mit Trey Hardee (Foto: Christiane Mader)

Im Sommer 2012 kam es an einem verregneten Juli-Tag im hessischen Mörfelden zu einem Gipfeltreffen von Weltklasse-Zehnkämpfern. Weltrekordhalter Ashton Eaton absolvierte in einigen Disziplinen einen Formtest, ebenso sein amerikanischer Landsmann, Doppel-Weltmeister Trey Hardee. Es waren die letzten Wochen vor den Olympischen Spielen in London, wo Eaton dann ebenso triumphierte wie vier Jahre später in Rio. Mittlerweile ist Eaton zurückgetreten. Dekoriert mit Erfolgen, die jedem Leichtathletik-Interessierten bekannt sind. Damals in Mörfelden war auch Jan Felix Knobel am Start. 23 Jahre jung, er trug das Trikot der LG Eintracht Frankfurt, kurz zuvor hatte er sich für die Spiele in London qualifiziert. Er war U20-Weltmeister (2008/7.896 Punkte) und WM-Achter (2011/8.200 Punkte). „Ich will die Olympischen Spiele 2012 erleben und eine Bestleistung aufstellen“, sagte Knobel vor viereinhalb Jahren. Bei den Spielen in Rio 2016 sei er dann im besten Zehnkampfalter und wolle um eine Medaille kämpfen. Es kam bekanntlich anders für den Architekturstudenten. Ganz anders.


Knobel als U20-Weltmeister 2008 (Foto: IRIS)

In London 2012 stieg er verletzungsbedingt aus, später warf ihn unter anderem eine hartnäckige Achillessehnenreizung aus der Bahn. 2016 musste der Hesse die Meetings in Götzis und Ratingen vorzeitig beenden - drei ungültige Weitsprungversuche (Götzis), eine Fußverletzung (Ratingen/zugezogen beim Weitsprung) machten alle Hoffnungen zunichte, in Rio dabei zu sein. Man hätte es Knobel nicht verdenken können, wenn er seine aktive Karriere nach all den Rück- und Tiefschlägen beendet hätte, schließlich waren zwei Jahre Vorbereitung - mittlerweile als Mitglied des Königsteiner LV unter dem hessischen Landestrainer Philipp Schlesinger - umsonst gewesen. Doch er macht weiter. Zuletzt war er bei den hessischen Hallenmeisterschaften am Start und überzeugte im Stabhochsprung (4,50 Meter), im Kugelstoßen (16,20 Meter) und über 60 Meter Hürden (8,28 Sekunden). Was treibt ihn an?


Knobel 2012 in London (Foto: IRIS)

Natürlich hat Knobel über ein mögliches Karriereende nachgedacht. Die Frage lautete: „Machst du nach diesen letzten zwei Jahren den Cut?“ Die Antwort: „Nein.“ Sein Bachelor-Studium an der Hochschule Rhein-Main Wiesbaden befindet sich auf der Zielgeraden, zwei Klausuren noch, dann ist er durch. Er hat mit 28 Jahren die Zeit nach der Leichtathletik, nach dem Zehnkampf im Blick. Doch zuvor soll noch etwas kommen in der Königsdisziplin. Knobel hat nicht fertig. „Meine Karriere ist zu Ende, wenn ich mir sagen kann: Ich habe alles versucht!“ Dieser Kernsatz, er diktiert ihn langsam und in aller Deutlichkeit, steht über allem, auch über den Problemen, die das verpatzte Wettkampfjahr 2016 nach sich zogen: keine DLV-Kader-Zugehörigkeit, keine Förderung durch die Stiftung Deutsche Sporthilfe, reduzierte Unterstützung vom Verein. Im Kontext der Zurückstufungen hebt Knobel die Unterstützung durch den Olympiastützpunkt Hessen hervor; eingebunden in die Finanzierung ist auch der Hessische Leichtathletik-Verband.


Knobel 2015 bei den Hallen-Hochschulmeisterschaften (Foto: Benjamin Heller)

Die Ansprüche an sich selbst sind geblieben („Warum sollte ich keine persönliche Bestleistung mehr machen?“), das Umfeld aber hat sich verändert. So sind ausgiebige Trainingslager in Südafrika nicht mehr drin, im Frühjahr soll es mit seinem Klub nach Spanien gehen. „Da sind die Kosten überschaubar.“ Und auch einen Start in Götzis, wo er 2011 seinen Hausrekord mit 8.288 Punkten aufstellte, wird es dieses Jahr nicht geben - Knobel steht nicht auf der Einladungsliste. Deshalb suchen Schlesinger und er einen ersten Zehnkampf-Wettkampf vor der zweiten und womöglich entscheidenden WM-Qualifikationsmöglichkeit am 24./25. Juni in Ratingen. In der Halle sind noch Starts bei den Deutschen Hochschul-Titelkämpfen (1. Februar in Frankfurt), den Süddeutschen Hallenmeisterschaften (4./5. Februar/Frankfurt) und womöglich am 18./19. Februar bei den Bayerischen Hallen-Mehrkampfmeisterschaften in Fürth geplant.


Knobel 2016 in Götzis (Foto: IRIS)

„Ich müsste mal längere Zeit gesund bleiben“, sagt Knobel. Der Körper hat sich dem Bewegungstalent in den vergangenen Jahren so häufig in den Weg gestellt, dass es zumeist darum ging, die Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten. Früher, in jugendlichem Übermut, Sturm und Drang, war das anders. Doch seit einiger Zeit hat Knobel das Gefühl, es genau so wieder machen zu können. Zumindest so ähnlich. „Ich könnte mal wieder den Hammer auspacken und mit dem Kopf durch die Wand“, sagt er. Andererseits meint er auch: „Bis 2020 zu denken, ist Schwachsinn.“ Die Planungen gehen von Jahr zu Jahr. Klingt abgedroschen, ist aber so. Aktuell ist seine Stimmungslage positiv, das Verhältnis zu Schlesinger „cool“. Wir sind gespannt, vielleicht kämpft Knobel sich ja noch einmal durch.

Uwe Martin

 


24/01/2017