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Ein Name, ein Verein? Wo hört der Hesse auf?


Für die deutschen Meisterschaften der Männer und Frauen sowie die Staffelwettbewerbe der Jugend an diesem Wochenende sind 37 Einzelstarter und zwölf Staffeln mit Trikots hessischer Vereine gemeldet worden. Ort des Geschehens ist Erfurt, genauer das Steigerwaldstadion. Werfen wir also einen kurzen Blick auf jene Athletinnen und Athleten, die sich mal mindestens im Medaillenumfeld platzieren können. Etwa Michael Pohl (Wiesbadener LV) und Steven Müller (LG ovag Friedberg-Fauerbach) über 100 und 200 Meter, Titelverteidiger Matthias Bühler (110 Meter Hürden), Homiyu Tesfaye (1.500 Meter), Georg Fleischhauer und Luke Campbell (beide 400 Meter Hürden), Diana Sujew (1.500 Meter), Claudia Salman-Rath (Weitsprung), Carolin Schäfer (100 Meter Hürden), Kathrin Klaas (alle LG Eintracht Frankfurt/Hammerwurf) sowie die nachgemeldete Lisa Mayer (Sprintteam Wetzlar) und Lara Matheis (TSG Gießen-Wieseck/beide 100, 200 Meter). Von dem Jahresbesten über 800 Meter, Marc Reuther (Wiesbadener LV/1:45,22 Minuten), liegt keine finale Startzusage oder -absage vor. Eine Medaillenchance hat auch die männliche 4x400-Meter-Staffel der StG Schlüchtern-Flieden-Obertshausen.


Die obige Aufzählung ist Chronistenpflicht, doch es geht auch anders. Denn bleibt es bei dem Stil der vergangenen Monate, werden in Erfurt noch viel mehr „Hessen“ vorne dabei sein. Wie das funktioniert? Indem einfach die Vereinsnamen weggelassen werden. Mit dieser Maßnahme tut sich das öffentlich-rechtliche Internetportal hessenschau.de besonders hervor. Beispiele gefällig? Obwohl sie bekanntlich nicht mehr für die LG Eintracht Frankfurt startet, wird die WM-Dritte Gesa Felicitas Krause (Silvesterlauf Trier) in Wort- und Videobeiträgen weiterhin ebenso journalistisch begleitet wie Hürdensprinterin Pamela Dutkiewicz, bei Bedarf der deutsche 100-Meter-Rekordhalter Julian Reus (beide TV Wattenscheid) sowie Florian Orth (geboren in Schwalmstadt, früher ESV Jahn Treysa, seit acht Jahren LG Regensburg). Bei Dutkiewicz steht dann „Kassel“ hinter dem Namen, bei Reus „Hanauer“, wahlweise „gebürtiger Hanauer“. Zur Einordnung an dieser Stelle der Hinweis, dass Reus bereits im Alter von elf Jahren auf die Sportschule Erfurt gewechselt ist. Das ist extrem lange her.


Aktuell wurde sogar Sara Gambetta (SC DHfK Leipzig) in die Berichterstattung aufgenommen. Sie kommt aus Schlitz, wir wissen es, jetzt hat sie im Kugelstoßen eine Siegchance, schwupp, ist sie wieder drin. Unvermittelt, wie Kai aus der Kiste. Worum es in den erwähnten Beispielen geht? Um ein Plus an Klickzahlen dank - aktuell - prominenter Namen bei einer im Fokus stehenden Veranstaltung. Um mehr nicht. Aber nicht um weniger. Und natürlich wird damit die Relevanz des Anbieters erhöht nach dem Motto: Schaut mal, wen das Bundesland Hessen so alles hervorgebracht und zu bieten hat. Anders gesagt: Die Berichterstattung ist mehr Schein als Sein. Doch so einfach ist es nicht. Denn es gibt ja zumeist gute Gründe, warum Sportler hessische Vereine verlassen. Belastbar und journalistisch korrekt ist diese Berichterstattung demnach nicht.


Ausgehöhlt und ad absurdum geführt werden damit teilweise auch die Anstrengungen des Landesverbands, der beteiligten Klubs und deren finanzielle Aufwendungen. So wie zuletzt bei Reuther, bei ihm stand nicht „Wiesbadener LV“, sondern „Wiesbadener“ zu lesen. Die Beantwortung der Frage, wo der Hesse/die Hessin aufhört beziehungsweise anfängt, ist sicher schwierig. Einfach jedoch wäre die Umsetzung einer klaren Richtlinie: Es zählt zum Zeitpunkt der Berichterstattung die Vereinszugehörigkeit. Punkt. Doch davon sind einige Medien weit entfernt. Was dazu führen kann, dass alles „eingemeindet“ wird, was nicht bei drei auf dem Baum ist. So wie bei hessenschau.de und im dazugehörigen Videotext anlässlich der Team-Europameisterschaft in Lille. An dem deutschen Titel waren angeblich acht „Hessen“ beteiligt. Tatsächlich sind nur vier Beteiligte (Salman-Rath, Matheis, Klaas, Constantin Schmidt) Mitglied eines hessischen Vereins.

In dem wohlfeilen journalistischen Gemischtwarenladen hat sich unlängst auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung eingefunden. Und zwar im sogenannten Rhein-Main-Sport, auf diesen Seiten findet sich für gewöhnlich beinahe ausschließlich Profi-Fußball. Wortreich porträtiert wurde der Ultra-Läufer Florian Reus, ein „Sulzbacher“ aus der Nähe von Frankfurt, der am Mainufer oder auch mal entlang des Rheins im Rheingau trainiert, und das überaus ausdauernd, denn Reus bereitete sich gerade auf die WM im 24-Stunden-Lauf vor. Was nicht erwähnt wurde, ist der Verein des späteren WM-Sechsten: Es ist die LG Würzburg.

Uwe Martin

 


08/07/2017