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Julia Gerter und ihr zweites Weitsprung-Projekt


Julia Gerter - einmal anders (Foto: Oliver Vogler, Facebook)

Julia Gerter ist zurück im Sand. Genauer beim Weitsprung. Ganz konkret im Wettkampfmodus: Am vergangenen Sonntag feierte die 23-Jährige bei den hessischen Hallenmeisterschaften ihr Comeback nach drei Jahren Abstinenz, in denen sie über 200, 400 und 400 Meter Hürden am Start gewesen ist. Und dann das: 6,26 Meter, der Titel und eine Weite, die sie so nicht im Sinn hatte. „Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich dachte eher an den Bereich zwischen 5,80 und 5,90 Meter.“ Bis zu ihrer persönlichen Bestleistungen von 6,35 Metern sind es nur noch neun Zentimeter. Gut möglich, dass die Studentin der Wirtschaftswissenschaften ihren Hausrekord noch in der Hallensaison verbessert. Zwei Möglichkeiten gibt es - bei den deutschen Hochschulmeisterschaften in Frankfurt (7. Februar) und den Deutschen in Dortmund (17./18. Februar). „Die 6,35 Meter sollen nicht mehr lange stehen“, sagt die Athletin von der LG Eintracht Frankfurt.“ Denn hinter dieser Zifferfolge steht eine besondere Geschichte.

Julia Gerter ist genau diese Weite schon dreimal gesprungen. Bereits 2011 im Alter von 16 Jahren, als sie für das LAZ Gießen Zweite bei den deutschen Jugend-Hallenmeisterschaften und beim Europäischen Olympischen Jugend-Festival wurde; dann nochmals 2012 und 2013, jeweils bei der Junioren-Gala in Mannheim. Wobei der Rückblick auf ihre Jugendzeiten nicht ganz unwichtig ist für den weiteren Karriereverlauf. Weil im Jahr 2012 etwas passierte, das wohl einmalig ist in der Geschichte des DLV: Julia Gerter bekam das Startrecht für die U20-WM in Barcelona entzogen, weil ihre Konkurrentin Malaika Mihambo (LG Kurpfalz) über den Sportjuristen Michael Lehner eine einstweilige Anordnung erstritten hatte, der DLV-Rechtsausschuss die Mittelhessin daraufhin quasi vor Ort suspendierte und Malaika Mihambo springen ließ. Vereinfacht gesagt, ging es um das Kriterium „absolute Jahresbestleistung“. Julia Gerter hätte als Zuschauerin in Barcelona bleiben können, doch sie reiste am Tag der Qualifikation ab, eine Nacht später feierte sie einen eher traurigen 18. Geburtstag.


Wieder im Weitsprung aktiv, hier bei den hessischen Hallenmeisterschaften (Foto: Benjamin Heller)

Bei der U20-EM ein Jahr später in Rieti (Italien) später teilte sie sich ein Zimmer mit - Maryse Luzolo aus Frankfurt und eben Malaika Mihambo (!). Pädagogische Sensibilität sieht anders aus. Sportlich gesehen war der elfte Platz mit 5,88 Metern in etwa genauso enttäuschend wie die nachfolgende Saison 2014. „Es hat nie so ganz gepasst. Ich brauchte Abwechslung“, sagt sie. Es waren in der Summe wohl zu viele Rückschläge, das Wort Frust spricht sie nicht aus. Hinzu kamen „immer wieder Rückenprobleme“. Julia Gerter ist mit 1,85 Metern sehr groß.

Sie schloss sich Ende 2014 der Eintracht Trainingsgruppe um Volker Beck an, abgesprochen wurde ein Wechsel auf die 400-Meter-Distanz. „Ich dachte, ich probiere es einfach. Viel hatte ich nicht zu verlieren.“ Und schließlich war sie als Schülerin die 300-Meter-Strecke „ganz gut gelaufen“. Der sportliche Ansatz: sich bei positiver Entwicklung einen Startplatz in der deutschen 4x400-Meter-Staffel erlaufen. Was letztlich nicht gelang. In der Statistik stehen für den Dreijahreszeitraum 2015 bis 2017 Bestzeiten von 24,11 Sekunden (200 Meter), 54,30 (400 Meter), 61,10 Sekunden (400 Meter Hürden). Höheren Ansprüchen genügte dies kaum. „Das war nicht zufriedenstellend“, sagt Julia Gerter rückblickend. Vor einem Jahr wurde sie süddeutsche Hallenmeisterin über 400 Meter, doch bereits im Frühjahr wurden die Achillessehnenschmerzen im linken Fuß so stark, dass sie keinen Wettkampf absolvieren konnte, in Absprache mit Beck Ende Juni die Saison beendete und die Zusammenarbeit schließlich im Oktober ihr Ende fand.


Auch so kann man für Eintracht Frankfurt werben (Foto: Oliver Vogler, Facebook)

Sie dachte (auch) über ein Karriereende nach, ging regelmäßig ins Fitness-Studio, machte Urlaub, hatte vergleichsweise viel freie Zeit. „Ich hatte den letzten Sommer einfach mal gewonnen.“ Dann reifte der Entschluss: „Ich bin nicht fertig mit der Leichtathletik! Wenn ich es nicht noch einmal probiere, ärgere ich mich später.“ Der nächste Schritt war die Kontaktaufnahme mit Erfolgstrainer Jürgen Sammert, der unter anderen Siebenkampf-Vizeweltmeisterin Carolin Schäfer betreut. „Ja, machen wir“, antwortete Sammert. Und so begann in der Trainingsgruppe mit Schäfer, Gianluca Puglisi und Zehnkämpfer Andreas Bechmann ihr zweites Weitsprung-Projekt. Wenn sie wieder gesund ist nach ihrer schweren Knieverletzung, kommt noch Maryse Luzolo hinzu.

Julia Gerter hat „wieder Spaß an der Sache“ und das ist, neben der Leistung, die womöglich wichtigste Erkenntnis zu Beginn ihres Weitsprung-Comebacks. Dabei hat sie trotz ihrer erst 23 Jahre schon einen langen Weg hinter sich. Leichtathletik betreibt sie seit ihrem sechsten Lebensjahr, zunächst beim TV Nieder-Weisel, dann beim LAZ Gießen, seit einigen Jahren bei der LG Eintracht Frankfurt. Und wie viele andere auch, nimmt sie Verzögerungen beim Studium auf sich, um sportlich voranzukommen. Für die Hallensaison hatte sie „keine Erwartungen“, im Sommer sieht das anders aus. „In Richtung 6,50 Meter soll es schon gehen.“

Uwe Martin

 


26/01/2018